Ganz Daimler-like wurde frühzeitig eine Agenda zum dritten und letztenTrainingsmodul des unternehmensweiten Trainee-Programms „CAReer“ mit dem klangvollen Namen „Keep moving“ verschickt, die ich dann einige Tage vor dem Start überflog. „Perspektive: Leadership“ und „Leadership Workshop“ war ebenso darauf zu finden wie ein Executive Talk mit unserem Personalvorstand Wilfried Porth. Schnell war mir klar worum es bei diesem Trainingsmodul geht. Doch Moment, was steht da für Freitag auf der Agenda? „Social Project“? Was soll das denn sein? Passt so irgendwie gar nicht zu dem Rest der Woche. Ich bin gespannt…
Die Woche im Commundo Tagungshotel in Stuttgart-Vaihingen hielt was sie versprach. Es wurde viel über Führung und Führungsverhalten gesprochen, gepaart mit praktischen Übungen an denen man schnell erkennen konnte wie Komplex das Thema Führung ist. Während ich schon nach den ersten Tagen merkte wie das viele Essen meinen Bauch dehnte, fragte ich mich immer wieder, was wohl dieses „Social Project“ sei. Weder meine CAReer Kollegen, noch die Veranstalter wussten bzw. sagten etwas darüber. So kam der Freitag und ich fand mich zusammen mit meinen Kollegen in einem Bus wieder. Mittlerweile wusste ich auch wohin der Weg führt, ins Generationenhaus nach Stuttgart-Heslach. Es war ein seltsames, fast schon unangenehmes Gefühl für mich zusammen mit 20 ambitionierten CAReerlern von Daimler ins Generationenhaus einzutreten. Hier diejenigen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen und dort die vom Schicksal gebeutelten. Nach einer Führung folgte ein Besuch in einem nahegelegenen Jugendhaus, in dem Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, sich auf ihre Art und Weise zu verwirklichen, ob in einer Ideenwerkstatt, einem kleinen Tonstudio oder bei gemeinsamen Aktivitäten. Die junge Betreuerin erzählte uns von ihrem nicht sehr üppigen Gehalt und von ihren Motiven. Sie helfe gerne, einfach so, und habe Spaß an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wow, das hatte ich von jemandem, der so jung ist wie ich noch nicht oft gehört.
Anschließend führte unser Weg in ein Heim für Asylbewerber, nur wenige Meter vom Generationenhaus entfernt. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, als wir das von außen durchaus schäbige Haus betraten. Ich will nicht sagen, dass ich Angst hatte, aber die langen Gänge und der bemalte Eingangsbereich ließen mich nicht unbedingt glauben, dass hier tatsächlich Menschen wohnen. Wir waren zu einer Nachhilfestunde mit zwei Geschwistern aus dem Irak verabredet. Knapp ein halbes Jahr seien sie jetzt hier, erzählten sie uns auf Deutsch wohlgemerkt. Im Folgenden gingen wir durch Ihre Mathe- und Deutschaufschriebe und ich war erstaunt wie schnell die beiden eine für sie bis dahin unbekannte Sprache lernten. Unser Begleiter durch das Heim macht diese Nachhilfe einmal in der Woche. Einfach so. Später am Tag erfuhren wir etwas über die Schicksale einer Dame mittleren Alters aus Afghanistan und einem syrischen Geschäftsmann, der seine Heimat von heute auf morgen verlassen musste. Er war es auch, der uns erzählte, dass er auf ca. 20 qm mit zwei weiteren (ihm bisher unbekannten) Flüchtlingen in einem Raum lebe. Das dürfte in etwa die Größe unseres Büros in Esslingen sein dachte ich in diesem Moment. Der Gedanke daran beschämte mich fast.
Auf der Rückfahrt zum Hotel lies ich das Erlebte nochmals Revue passieren und versuchte es irgendwie einzuordnen. Ein Satz hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Er fiel, ich war gerade dabei das Jugendhaus nach unserer Führung zu verlassen, als ein CAReer-Kollege einer Angestellten die Hand gab und sagte: „Es ist schön, dass es Menschen wie sie gibt“.
Mittlerweile bin ich zurück in der für mich normalen Alltagshektik mit all den „Problemen“, die einen so umtreiben. In manchen Momenten kommen zwei für mich prägende Erkenntnisse dieses Tages im Generationenhaus durch. Die erste Erkenntnis bezieht sich sowohl auf meine eigene Unzufriedenheit mit vielen Dingen als auch auf die Unzufriedenheit der Leute in meinem Umfeld. Ich frage mich dann immer: Sind das wirklich Probleme? Oder eher „Problemchen“? Was sind es wohl in den Augen des syrischen Geschäftsmannes in seiner 20 qm Zwangs-WG? Die zweite Erkenntnis ist, dass es viele Menschen gibt, die ihr gesamtes Leben in den Dienst anderer stellen und ich selbst manchmal nicht die „Zeit“ habe um anderen zu helfen. Dabei spreche ich nicht mal von einem ehrenamtlichen Engagement oder davon große Summen Geld zu spenden. Ich spreche vielmehr von den kleinen Dingen im (Berufs-)Alltag, die leider viel zu oft vergessen werden.
Auch mal zufrieden sein und auch mal anderen helfen – einfach so – klingt doch eigentlich ganz easy, oder?
Inzwischen habe ich übrigens mein CAReer Programm beendet und stecke nun in Mitten des Berufsalltags im Controlling für den Truck Powertrain Bereich.